Lecture Performance von Arno Auer, Kevin Rittberger und Manja Kuhl
LuCATION Ludwigshafen 2017.
Lecture Performance von Arno Auer, Kevin Rittberger und Manja Kuhl
LuCATION Ludwigshafen 2017.
LOVE SOCKS
Theater Oberhausen. 2009.
BÄNG! BOING! POW!
Schauspiel Stuttgart NORD. 2014.
DEMON CRATER
Schauspiel Stuttgart Nordlabor. 2016.
LOCKED IN
Installation Gruppe CIS. 2016.
BOULEVARD DER BEGEGNUNG
Performance Gruppe CIS. CSD 2017.
JOHANNA – EIN POLYPHONER PROZESS
Schauspiel Stuttgart. 2017.
NEXT!
Ein Polyphoner Prozess nach Schillers ‘Die Jungfrau von Orleans’
Schauspiel Stuttgart NORD Premiere 10.11.2017
#theytoo
von Kristin Becker
In Zeiten wie diesen wäre sie eigentlich das perfekte Postergirl, diese französische Superheldin des späten Mittelalters: Jeanne d’Arc, die schwertschwingende Jungfrau von Orleans. Sie würde all den Weinsteins dieser Welt zeigen, wo die Harke hängt. Ihre Waffe wäre ein Twitteraccount. Ihr Hashtag: #MeToo oder #BalanceTonPorc. Ihre Botschaft: Zieht die Schwänze ein. als Frau, die sich durch eine Männerwelt schlägt hat Jeanne d’Arc seit Jahrhunderten fasziniert, irritiert, zu romantischen und kruden Gedanken angeregt. Die Bühne ist zu vier Seiten von Zuschauern umgeben und mal Boxring, mal Laufsteg. “Polyphoner Prozess” nach Schillers Die Jungfrau von Orleans haben sie ihren kurzen Abend im Untertitel genannt. Johanna hat Stimmen gehört, und vielstimmig ist auch die Präsentation: fünf Frauen, die nicht in Rollen schlüpfen, aber Versatzstücke davon übers Parkett tragen. Zum Beispiel mit bedruckten Leibchen, die postulieren, was die französische Heilige alles so war oder sein sollte: Führerin. Heldin. Jungfrau. Liebende. Kriegerin.
Theater heute (Januar 2018)
Die heilige Johanna der Karriereschlachthöfe
von Martin Mezger
Irgendwann platzt es aus der Schauspielerin Rahel Ohm heraus: “Wie kann ich hier als Frau von Mitte 50 über Emanzipation reden, wenn alle nur für eine frustrierte alte Schachtel halten?” Ja, es muss nicht mehr der Scheiterhaufen sein wie 1431 bei der Heiligen Johanna von Orleans, um Emanzipatorisches zu verbrennen. Frau lebt nicht mehr im Mittelalter, Frau ist nur mittelalt, und flugs zerfällt ihr Aufbegehren im Klimateriumsklischee zu Frustschraubenasche, genüsslich weggefegt von der niederträchtigen Männerwelt. Rahel Ohms lautstarkes Powerplay mit aufrichtig gemimter Empörung ist der kabarettistische Höhepunkt in einer mit furiosem Körpereinsatz zwischen Banalität und Verrätselung schweifenden Theaterperformance. Johanna heißt das regielose Projekt in der Spielstätte Nord des Stuttgarter Schauspiels, konzipierten der Staatsschauspielerin Manja Kuhl und der Performance-Künstlerin Sabrina Schray. ” Ein polyphoner Prozess nach Schillers ‘Die Jungfrau von Orleans'” lautet der Untertitel. Polyphon ist die Kombination vereinzelter Schiller’scherBlankvers-Sprecharien mit Zitaten der historischen Prozessakten und modernen Texten. Ebenso vielstimmig die multiple Persönlichkeitsrecherche: Vier Akteurinnen (Kuhl, Schray, Ohm und Marietta Meguid) suchen Johanna, genauer: das Johanna-Modell in sich und der weiblichen Gegenwart. Das Jung-Frauenrätsel aus dem späten Mittelalter, diese Teenie-Amazone Frankreichs, diese junge Frau und Bauerntochter, die sich keinen Deut scherte um Hierarchien und weibliche Rollenmuster – sie wird erwartungsgemäß zur heiligen Johanna weiblicher Karriereschlachthöfe. Es setzt Management-Sprech- und Trainee-Weisheiten, etwa von der “Personalien”, die “drinstecken muss” und bei allem geforderten “Sexy-Sein” vom Sex nicht überblendet werden darf. Resonanzen historischer Drohkulissen kontrapunktieren die heutigen Dressuren und Verformungen des Weiblichen. Gleich zu Beginn glimmen die Scheinwerfer, hört man feuerknisternde Geräusche – das Echo des Scheiterhaufens. Als Gegenpart flimmern devotionale und (Spielfilm-) ikonische Abziehbilder der 1920 heiliggesprochenen, einst als Hexe und Ketzerin verbrannten Heldin über zwei Bildschirme. Auf der manegenrunden Live-Spielfläche inmitten des Publikums (Bühne: Daina Kasperowitsch) werden Rollen durchgewechselt, Casting-Situationen mit Großbild-Projektionen der Mimik geprobt und Fighting Girls in Pop-Art positioniert. Das fingerschnipsend parodierte Schiller-Zitat “Gehorsam ist des Weibes Pflicht auf Erden” und sein Widerpart (“Doch auf Erden ist meinHoffen und im Himmel ist es nicht”) formieren das Spannungsfeld weiblicher Emanzipation.
Esslinger Zeitung (13.11.2017)