Demon Crater

Ein interdisziplinärer Zufluchtsort 

Schauspiel Stuttgart. Satellit Tübinger Straße. Premiere 6.2.2016.

Der Demon Crater ist die Welt des Dämon. KünstlerInnen unterschiedlichster Disziplinen wagen eine Expedition in das Zentrum des Sturms, an den Ort der trügerischen Ruhe – im Gepäck nichts Geringeres als unsere Demokratie und die Frage nach ihrer Krise. In die Tiefe führt der Weg, ins Reich des Dämonischen, denn die Oberfläche spiegelt nur das Bekannte. Am Rande des Kraters gibt es keine Erkenntnis, nur Beobachtung. Steigen Sie mit uns hinab. Adieu Welt. Hello Darkness.

Von und mit: Michel Baur, Hanna Desmond, Walter Ercolino, Paul Geisler, Jana Gluchow, Manja Kuhl, David Laukner, Sara Antonina Laukner, Lotte Lindenborn, Ulrich Lücke, Fabian Nitschkowski, Andrea Richter, Daniel Richter, Aliki Schäfer, Julia Schubart, Sylvia Schubert, Lilly Schiff, Lotta Sturm

Die doppelte Unterwelt

von Thomas Morawitzky

Manja Kuhl erarbeitete über zwei Monate hinweg, mit 17 Künstlern aus vielen Städten den ‘Demon Crater’, der sich nun im Keller eines Gebäudes in der Tübinger Straße in Stuttgart-Mitte befindet. Ein Besuch in diesem Krater geschieht in drei Etappen: Da gibt es den Vortrag, den einer der Künstler vor dem Haus hält – sein Thema wird vom Publikum bestimmt, er spricht über den Dämonen, den Krater, die Demokratie; Begriffe, die klanglich zueinander in Bezug stehen, hier assoziativ ausgelegt werden. Gespräch bei heißem Tee. Mitwirkung ist immer gefragt, Entscheidungsmechanismen, Gruppendynamiken, die Verantwortung des Einzelnen im Spiel wird mit dem Publikum thematisiert. Eine Station will nichts anderes, als dass die Besucher über solche Fragen diskutieren, Fragebögen ausfüllen – und tatsächlich, dies gelingt: Die Gespräche im Hof, eingehüllt in Decken und versorgt mit heißem Pfefferminztee, entwickeln sich lebhaft und tierschürfend. Ganz sicher liegt das daran, dass die Menschen, die hier miteinander sprechen, zuvor hinab gestiegen sind, in den Krater, den Keller. Dort sind sie Bildern, Formen, Tänzen, Installationen begegnet. Stimmen, die durcheinander rufen, von Politikern, Demokraten, Faschisten; flackernden Bildschirmen, ruhigem Keyboardspiel, pulsierendem Lärm, Höhlenmalereien. Eine Frau in einem Federkostüm steht da, spricht ausdruckslos, apathisch den Text eines Liedes von Tom Waits: “I don’t wann grow uo”. In einem zentralen Raum flackert künstliches Licht, aus dem Worte entstehen – am schwersten lesbar ist dar Wort “Liebe”. In einer Kammer werden die Besucher von völliger Finsternis umschlossen – sie tragen Kopfhörer und erleben, wie sich jedes Geräusch, das sie verursachen, jedes Wort, das sie im Dunkeln sagen, in einen hallenden Chor mischt. Die Dämonen – Schauspieler, gehüllt in die Gewänder antiker Priester, mit Tierköpfen aus Pappe – gehen umher, im Keller, im Hof, schreiten zwischen den Diskutierenden hindurch. Bis sie, ganz zuletzt, die Masken abnehmen.

Stuttgarter Nachrichten (8.2.2016)